Montagsgebet Nikolaikirche Leipzig
13. Juni 1989
Information Nr. 297/89 über provokatorisch-demonstrative Aktivitäten nach dem sogenannten Montagsgebet in der Nikolaikirche Leipzig am 12. Juni 1989
Am 12. Juni 1989, in der Zeit von 17.00 bis 17.55 Uhr, fand in der Nikolaikirche Leipzig das wöchentliche »Montagsgebet« statt,1 an dem sich ca. 650 Personen beteiligten.
In seinen Eröffnungsworten sprach Pfarrer Führer2 die allgemeine Erwartung aus, dass die Eingaben zu den Wahlen ernsthaft bearbeitet werden und man in diesem Zusammenhang den Dialog und nicht Konfrontation suche.3
Inhaltlich wurde das »Montagsgebet« vom Katholischen Friedenskreis Grünau-Lindenau4 gestaltet. Im Mittelpunkt stand die Auswertung der ökumenischen Versammlung in Basel.5
Nach Beendigung des »Montagsgebetes« verlief sich bis gegen 18.30 Uhr die Mehrzahl der Teilnehmer.
Zum gleichen Zeitpunkt formierten sich jedoch ca. 50 bis 606 Personen und bewegten sich in Richtung Schuhmachergässchen/Markt.
In Durchsetzung der vorbereiteten Maßnahmen wurde diese Personengruppierung nach ca. 80 Metern im Schuhmachergässchen durch Angehörige der Deutschen Volkspolizei zum Stehen gebracht und zur Auflösung aufgefordert. Diesen Aufforderungen wurde nur zum Teil Folge geleistet.
Bei den Personen, die den wiederholten Aufforderungen nicht nachkamen, handelte es sich offenkundig um solche, die durch ihre demonstrierten Handlungs- und Verhaltensweisen (u. a. Buh-Rufe, lautes Gelächter, provokatorische Annäherung an die gebildete Absperrkette) eine Konfrontation herbeiführen wollten. Ein Teil dieser Personen widersetzte sich bewusst den Aufforderungen in der Erwartung, dadurch schneller die Genehmigung zur ständigen Ausreise zu erhalten.7
Im Rahmen der Auflösung der Personengruppierung wurden insgesamt 27 Personen (19 männliche, acht weibliche) zugeführt. Bei den zugeführten Personen handelt es sich um 25 Bürger aus dem Bezirk Leipzig und je einen Bürger aus Karl-Marx-Stadt und Dessau, [Bezirk] Halle. 20 der Zugeführten sind Antragsteller auf ständige Ausreise.
Im Ergebnis der Prüfungshandlungen wurden gegen neun Personen gemäß § 217 StGB – Zusammenrottung – Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die betreffenden Personen werden nach dem Erlass von Strafbefehlen zu Geldstrafen (zwischen 3 000 und 5 000 Mark) entlassen.
Gegen die übrigen zugeführten Personen wurden differenzierte Ordnungsstrafmaßnahmen (zwischen 300 und 500 Mark) durchgeführt. Diese Personen wurden ebenfalls entlassen.
Des Weiteren ist vorgesehen, differenzierte Entscheidungen zur ständigen Ausreise unter Beachtung des Disziplinierungsfaktors vorzubereiten.