Rückkehr eines ehemaligen Betriebsdirektors in die DDR
6. April 1989
Information Nr. 166/89 über die Rückkehr des ehemaligen Betriebsdirektors des VEB Druckmaschinenwerk Planeta Radebeul aus der BRD in die DDR
Im Ergebnis umfangreicher Maßnahmen des MfS im Zusammenwirken mit anderen zuständigen Organen der DDR kehrte der Dittmann, Norbert (51),1 geb. am 30. April 1937, wohnhaft gewesen [Straße, Nr.], Radebeul, 8122, verheiratet, ein Kind 14 Jahre, Ingenieur für Maschinenwesen, zuletzt Betriebsdirektor des VEB Druckmaschinenwerk Planeta Radebeul, [Bezirk] Dresden, Mitglied der SED seit 1960 (Parteiausschluss am 24. Oktober 1988) am 30. März 1989 in die DDR zurück.
Er hatte eine für den Zeitraum vom 9. bis 16. Oktober 1988 befristete Dienstreise nach der BRD zum ungesetzlichen Verlassen der DDR missbraucht.
Für den Fall einer freiwilligen Rückkehr war ihm generelle Straffreiheit und eine angemessene berufliche Tätigkeit zugesichert worden.
Die Motive für seinen Entschluss zum ungesetzlichen Verlassen der DDR hatte Dittmann – wie er während der Befragungen nach seiner Rückkehr in die DDR angab – vor Antritt seiner Dienstreise in zwei von ihm persönlich geschriebenen Briefen, datiert mit dem 5. Oktober 1988 und adressiert an den 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED, Genossen Modrow,2 bzw. an den Generaldirektor des VE Kombinates Polygraph Leipzig, Genossen Beschnitt,3 dargelegt.
Aus dem Inhalt der Briefe, die von der Ehefrau des Dittmann, entsprechend seiner Aufforderung am 16. Oktober 1988 an die Empfänger weitergeleitet wurden, geht hervor,
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er sei nicht mehr gewillt, in die DDR zurückzukehren,
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er habe kein Vertrauen in die Wirtschaftsstrategie und Wirtschaftspolitik von Partei und Regierung,
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ökonomische Schwierigkeiten und Engpässe in der Volkswirtschaft der DDR und im VEB Planeta Radebeul seien ursächlich für seine Nichtrückkehr,
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die Festlegung des Ministers für Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbau der DDR, ihn als Leiter einer zeitweiligen Arbeitsgruppe im VE Kombinat Umformtechnik Erfurt einzusetzen, sei gegen seinen Willen getroffen worden,
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er habe sich seit Jahren im Zusammenhang mit dem Bau eines Eigenheimes ungerechtfertigten Verdächtigungen ausgesetzt gefühlt, betriebliche Fonds dafür rechtswidrig in Anspruch genommen zu haben.
Diese Motive wiederholte Dittmann auch in den mit ihm durchgeführten Befragungen. Des Weiteren ging er nach seinen Aussagen von der illusorischen Vorstellung aus, als bekannter und geachteter wirtschaftsleitender Kader auf dem Gebiet der Druckmaschinenherstellung in gleichgearteten Industriezweigen der BRD mit »offenen Armen« aufgenommen zu werden und eine lukrative Stellung zu erhalten.
Er bereue seinen Schritt vom Oktober 1988 zutiefst und sei unter allen Umständen gewillt und bereit, zu seinem von ihm als falsch erkannten Verhalten in der Öffentlichkeit Stellung zu beziehen. Damit wolle er insbesondere dazu beitragen, die bei bestimmten Personenkreisen bestehenden illusorischen Vorstellungen vom Leben in der sogenannten freien Welt abzubauen. Er selbst habe während seines Aufenthaltes in der BRD feststellen und erfahren müssen, wie seine Vorstellungen vom dortigen Leben Stück für Stück zerstört worden wären.
Ausschlaggebend für den Entschluss zu seiner Rückkehr in die DDR seien folgende Faktoren gewesen:
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Die Nichtbereitschaft des Bundesministeriums für Innerdeutsche Beziehungen sowie von Persönlichkeiten des politischen und gesellschaftlichen Lebens der BRD (u. a. vom Ministerpräsidenten des Saarlandes, Oskar Lafontaine),4 durch Fürsprache eine Familienzusammenführung herbeizuführen, um damit die politischen und ökonomischen Beziehungen zur DDR nicht unnötig zu belasten;
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die Ablehnung mehrerer Wirtschaftsunternehmen in der BRD, einschließlich Vertreterfirmen des Außenhandelsbetriebes Polygraph, ihm eine feste Anstellung zu geben. Das sei u. a. mit der Begründung erfolgt, dass er als ehemaliger DDR-Bürger für einen Managereinsatz ungeeignet wäre, zu alt sei und darüber hinaus ein Sicherheitsrisiko darstellen würde.
Auch ein von ihm gehaltener Vortrag vor ausgewählten Wirtschaftsexperten im »Gesamtdeutschen Institut«5 habe keinerlei Wirkung erzielt, obwohl er sich als Kenner der DDR-Wirtschaft angepriesen habe.
Ein weiteres wesentliches Motiv für die Rückkehr in die DDR sei seine ausgeprägte enge Bindung an die Familie.
Obwohl er in Hameln ein beschleunigtes Aufnahmeverfahren durchlaufen habe mit der Zusicherung, nicht in das Aufnahmelager Gießen zu müssen, sei er entgegen dieser Zusicherung am 11. Januar 1989 in dieses Aufnahmelager vorgeladen worden, wo er vom Bundesamt für Verfassungsschutz einer umfangreichen Befragung unterzogen worden sei. Nach seinen eigenen Angaben habe er keine Informationen weitergegeben, die sich negativ auf die ökonomischen Prozesse in der DDR auswirken könnten.
Einer weiteren Vorladung in die Hauptstelle Hannover des Verfassungsschutzes für den 21. März 1989 sei er nicht nachgekommen, um seine Rückkehr in die DDR nicht zu belasten.
Bezüglich seiner Wiedereingliederung in die DDR äußerte Dittmann den Wunsch, wieder bei seiner Familie in Radebeul Wohnsitz zu nehmen und beruflich eine Tätigkeit im Bereich der praxisnahen Forschung ohne Lehrtätigkeit auf dem Gebiet der Automatisierung an der Technischen Universität Dresden aufnehmen zu können (an einer Arbeitsaufnahme im VEB Planeta Radebeul sei er nicht interessiert).
Ausgehend von seinen Erfahrungen und Kenntnissen auf diesem Gebiet wird es für zweckmäßig erachtet, diesem Wunsch des Dittmann zu entsprechen.
Es wird gebeten, dazu die erforderliche Entscheidung des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen, Genosse Prof. Dr. Böhme,6 herbeizuführen.
Sollte diesem Einsatz nicht zugestimmt werden, wären vom Minister für Werkzeug- und Verarbeitungsmaschinenbau, Genossen Dr. Georgi,7 die notwendigen Festlegungen für einen Einsatz des Dittmann in diesem Industriezweig zu treffen.
Des Weiteren wird vorgeschlagen, geeignete Aussagen des Dittmann für die Öffentlichkeitsarbeit in den zentralen und bezirklichen Massenmedien der DDR zu nutzen.