Treffen von Wehrdienstverweigerern in Brandenburg
11. April 1989
Information Nr. 170/89 über ein geplantes Treffen sogenannter Wehrdiensttotalverweigerer im Zeitraum vom 19. bis 21. Mai 1989 im Kreis Brandenburg, [Bezirk] Potsdam
Nach dem MfS vorliegenden Hinweisen plant der im Jahre 1986 gebildete personelle Zusammenschluss »Freundeskreis (Wehrdienst) Totalverweigerer«1 (FK-TV) im Zeitraum vom 19. bis 21. Mai 1989 in Räumen der evangelischen Kirchengemeinde Kirchmöser, Kreis Brandenburg, in Fortsetzung einer gleichartigen Veranstaltung im Jahre 1988 in Berlin-Schmöckwitz, ein erneutes zentrales Treffen.
An dieser »2. Delegiertenversammlung« sollen ca. 60 bis 80 Personen aus der DDR teilnehmen. Als Gäste werden Wehrdiensttotalverweigerer aus dem westlichen Ausland, aus der Ungarischen Volksrepublik, der VR Polen sowie aus Südafrika erwartet. (Führungskräfte des »FK-TV« unterhalten Verbindungen zu gleichartigen Gruppen im westlichen Ausland wie der »Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen e.V.«,2 der »Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstverweigerer«3 – beide BRD –, zu internationalen Organisationen wie der »War Resisters International«4 und zu Wehrdiensttotalverweigerern in den sozialistischen Staaten.)
Das geplante Treffen ist darauf ausgerichtet, zur weiteren Profilierung des »FK-TV« als Zentrum einer »Basisbewegung« in der DDR zur Abschaffung der Wehrpflicht und der »Entmilitarisierung der Gesellschaft« beizutragen. Ferner soll die Arbeit mit den »Regionalvertretern« aktiviert werden. Die Organisatoren, darunter der evangelische Stadtjugendwart Frenzel5 (Berlin) und der evangelische Diakon Pagel6 (Brandenburg), erhoffen sich darüber hinaus größere nationale und internationale Beachtung für die Existenz von Wehrdiensttotalverweigerergruppen auch in der DDR.
In Vorbereitung des Treffens im Mai fand eine Beratung der Organisatoren mit ausgewählten »Regionalvertretern« des »FK-TV« statt, in der inhaltliche Fragen des zentralen Treffens und weitere Aktivitäten zu dessen Vorbereitung abgestimmt wurden. Als inhaltliche Schwerpunkte (Referate mit sich daran anschließenden Seminarberatungen) wurden folgende Themen festgelegt:
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»Vier Wege zum Frieden« (Referent: Pfarrer Winter,7 Langenschade, [Kreis] Rudolstadt8)
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»Kriegsspielzeug und Kindererziehung«
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»Defensive Verteidigungskonzepte« (Referent: Dr. Romberg,9 Berlin)
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»Deserteure – Desertion – moralische Wertung in heutiger Zeit«
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»Absage an das ZIED-Papier« (ZIED = Ziviler Ersatzdienst).10
An vorbereitenden Aktivitäten, die der Propagierung der Wehrdiensttotalverweigerung und der Popularisierung des geplanten Treffens dienen sollen, sind vorgesehen:
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Teilnahme am Friedensmarsch von Sachsenhausen im Zeitraum vom 20. bis 24. April 1989. (Mitführen von Plakaten/Transparenten)
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Erweiterung des am 2. Mai 1989 geplanten »Betens für den Frieden« in ein »Beten für die Gefangenen, für den Frieden«.
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Aufstellung eines sogenannten Denkmals für den unbekannten Deserteur am Tag der Befreiung vom Hitlerfaschismus (8. Mai) auf dem der Straße nahe liegenden Gelände der evangelischen Samariterkirchengemeinde in Berlin-Friedrichshain.
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Durchführung von Seminaren am sogenannten Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer (15. Mai).11
Im Weiteren planen die Organisatoren die Erarbeitung einer Übersicht über Buchtitel und Eigenpublikationen zur Wehrdienstverweigerungsproblematik.
Mit dem Ziel der Verhinderung des politischen Missbrauchs kirchlicher Räume für gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR gerichtete Aktivitäten und der vorbeugenden Unterbindung des geplanten Treffens sogenannter Wehrdiensttotalverweigerer werden durch die zuständigen zentralen und territorialen staatlichen Organe abgestimmte komplexe Maßnahmen realisiert. Darin eingeschlossen sind Gespräche mit kirchenleitenden Personen der Evangelischen Kirche in Berlin-Brandenburg und territorial zuständigen kirchlichen Amtsträgern.
Es wird vorgeschlagen, als Gäste des Treffens eindeutig identifizierten Ausländern befristet für den Zeitraum vom 18. bis 21. Mai 1989 die Einreise in die DDR nicht zu gestatten.
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