Ungesetzliches Verlassen der DDR
13. März 1989
Information Nr. 121/89 über das ungesetzliche Verlassen der DDR unter Missbrauch einer Touristenreise nach der Republik Kuba durch den stellvertretenden Oberbürgermeister von Schwedt, [Bezirk] Frankfurt/O.
Nach vorliegenden Hinweisen hat der Richter, Ulrich (37), geb. am 17.2.1952, wohnhaft gewesen: 1330 Schwedt, [Straße, Nr.], tätig gewesen als stellvertretender Oberbürgermeister von Schwedt und Vorsitzender der Stadt-Plankommission, Mitglied des Sekretariats der Kreisleitung der SED, die DDR unter Ausnutzung einer Touristenreise in die Republik Kuba am 12. März 1989 im Zusammenhang mit einer technisch bedingten Zwischenlandung auf dem Flughafen Gander/Kanada – während der Rückreise von Havanna nach Berlin – ungesetzlich verlassen und ist zurzeit unbekannten Aufenthaltes.
Wie die bisher geführten Untersuchungen ergaben, war Richter gemeinsam mit seiner Ehefrau (36, Lizenzingenieur im VEB Petrolchemisches Kombinat Schwedt) Teilnehmer einer Reisegruppe des FDGB für eine Kuba-Rundreise mit der MS »Arkona« im Zeitraum 1. bis 11. März 1989. Die Hin- und Rückreise erfolgte mit Luftfahrzeugen der Interflug.
Während der angeführten Zwischenlandung in Gander entfernte sich Richter aus dem Transitraum in Begleitung kanadischer Beamter. Mehrfache Versuche der Kontaktaufnahme seiner Ehefrau wurden seitens dieser Begleitpersonen verweigert mit dem Hinweis, dass Richter kein Gespräch mit ihr führen wolle.
Im Ergebnis einer Befragung von Frau Richter nach ihrer Rückkehr in die DDR schätzte diese ein, dass ihr Gatte offenkundig von dem Aufenthalt in Kuba und den dortigen Verhältnissen enttäuscht gewesen sei (u. a. über die Einkaufsmöglichkeiten) und daraus möglicherweise eine spontane Entscheidung zum ungesetzlichen Verlassen der DDR resultiere. Nach ihren Kenntnissen habe er keinerlei persönliche Gegenstände mitgeführt, die auf eine Nichtrückkehr in die DDR hindeuteten. Richter habe zwar einen Cousin und eine Cousine in der BRD wohnen, zu denen jedoch seit über zehn Jahren keinerlei Kontakte bestehen würden.1
Die Ehefrau schätzte weiter ein, dass ihre 17-jährige Ehe harmonisch verlaufen sei. Dienstliche Probleme/Schwierigkeiten u. Ä. ihres Ehegatten sind ihr nicht bekannt.
Die Untersuchungen, insbesondere zur Erarbeitung der Motive, begünstigenden Bedingungen und Umstände sowie zur Ermittlung des Aufenthaltsortes werden fortgeführt.
Zugleich werden Maßnahmen zur Rückgewinnung des Richter seitens des MfS unter Einbeziehung seiner Ehegattin sowie anderer geeigneter Personen eingeleitet.