Unterbindung einer Provokation am 7.9. in Berlin
8. September 1989
Information Nr. 412/89 über die Unterbindung einer von feindlichen, oppositionellen Kräften am 7. September 1989 in Hauptstadt der DDR, Berlin, geplanten Provokation
Nach dem MfS vorliegenden internen Hinweisen beabsichtigten hinlänglich bekannte feindliche, oppositionelle Kräfte in Weiterführung bisheriger provokatorisch-demonstrativer Aktivitäten im Zusammenhang mit den Kommunalwahlen,1 am 7. September 1989 um 17.00 Uhr auf dem Alexanderplatz an den Standorten Weltzeituhr und »Brunnen der Völkerfreundschaft« (Nähe Zentrum-Warenhaus) mittels Trillerpfeifen und Transparenten öffentlichkeitswirksam aufzutreten.
Diese Provokation, zu deren Organisatoren erneut der mit ähnlichen Aktionen bereits mehrfach in Erscheinung getretene Diakon Schatta, Mario2 und Personen aus seinem Umfeld gehören, wurde durch Flüsterpropaganda und durch das Verbreiten von Hetzblättern bekannt gemacht.
Die zur Unterbindung dieser geplanten Provokation angewiesenen Maßnahmen wurden im Rahmen eines Sicherungseinsatzes konsequent realisiert; sie erwiesen sich als zweckmäßig. Das Zusammenwirken zwischen den Schutz- und Sicherheitsorganen und den einbezogenen gesellschaftlichen Kräften entsprach den konkreten Erfordernissen. Sie verhinderten das Wirksamwerden der an der Vorbereitung der Provokation beteiligt gewesenen Personen.
Im Handlungsraum waren die öffentliche Ordnung und Sicherheit gewährleistet.
Am 7. September 1989, beginnend gegen 15.00 Uhr, versuchten Teilnehmer an der geplanten Provokation sich dem Bereich Alexanderplatz zu nähern. In diesem Zusammenhang wurden 189 Personen kontrolliert und zum Verlassen des Sicherungsraumes aufgefordert. 59 Personen weigerten sich, teilweise aggressiv und renitent auftretend, den Aufforderungen der Einsatzkräfte Folge zu leisten. Unter diesem Personenkreis befanden sich der bereits genannte Schatta, Mario (gegen ihn war bereits im Zusammenhang mit der Teilnahme an provokatorisch-demonstrativen Handlungen am 7. Juni 1989 – Konsistorium3 – und am 22. Juni 1989 – Botschaft der VR China4 – ein Ordnungsstrafverfahren eingeleitet und mit dem Aussprechen einer Ordnungsstrafe in Höhe von 1 000 Mark abgeschlossen worden) sowie weitere Mitglieder personeller Zusammenschlüsse aus der Hauptstadt der DDR. Sie wurden zugeführt. 15 Personen widersetzten sich den Zuführungsmaßnahmen, dem mit der Anwendung einfacher körperlicher Gewalt begegnet werden musste.
Mehrere dieser Personen waren im Besitz verschiedener hektografierter Handzettel, deren Textinhalte zu Aussageverweigerungen und zur Organisierung weiterer Aktivitäten gegen die Ergebnisse der Kommunalwahlen aufforderten. 18 zugeführte Personen trugen weiße T-Shirts mit aufgetragenen schwarzen Buchstaben, deren Zusammensetzung den Text »07051989 Wahlbetrug« ergaben. (Diese provokatorische Aktion sollte am »Brunnen der Völkerfreundschaft« realisiert werden.)
Bei den insgesamt 59 Zugeführten handelt es sich um 47 männliche und zwölf weibliche Personen, mehrheitlich wohnhaft in der Hauptstadt der DDR, Berlin (51). 20 Personen üben eine Tätigkeit in kirchlichen Einrichtungen aus. Fünf Personen sind Antragsteller auf ständige Ausreise.5 Im Ergebnis der Untersuchungen werden unter Zugrundelegung der individuellen Tatbeiträge 37 Ordnungsstrafverfahren durchgeführt – vorgesehen sind Ordnungsstrafen in Höhe von 100 bis 500 Mark, gegen zwei Personen in Höhe von 1 000 Mark. Alle anderen zugeführten Personen wurden belehrt. 57 Personen wurden zeitlich versetzt bis zum 8. September 1989, 6.00 Uhr, entlassen. Bei zwei Personen dauern die Prüfungshandlungen noch an.
Wiederholt hatten in der DDR akkreditierte westliche Korrespondenten, darunter die Vertreter von ARD, ZDF, dpa und AP versucht, in den Handlungsraum einzudringen. Entsprechend zentraler Festlegungen wurden sie zurückgewiesen. Die Korrespondenten Schöttes6 (dpa) und Hauptmann7 (ARD) versuchten daraufhin, beim Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten, Abteilung Journalistische Beziehungen, den Grund für die Maßnahme zu erfragen.
Streng intern wurde bekannt, dass der in der DDR akkreditierte Korrespondent der »Frankfurter Rundschau«, Baum,8 den Leiter der Ständigen Vertretung der BRD in der DDR über die Zurückweisungen informierte und ihm den Vorschlag unterbreitete, beim MfAA der DDR dagegen Protest einzulegen.
Westliche Massenmedien berichteten am 7. September 1989 bereits ab 17.00 Uhr (Sender »Hundert,6«9) in verleumderischer Weise über eine angebliche Protestaktion von sogenannten DDR-Bürgerrechtlern auf dem Alexanderplatz gegen die Partei- und Staatsführung.