Unterstützung der DDR-Opposition durch BRD-Politiker
2. Dezember 1989
Information Nr. 517/89 über Vorstellungen von führenden Politikern aus der BRD zur Unterstützung der Opposition in der DDR
In jüngster Zeit bekundeten führende Politiker aus der BRD im Rahmen von in der DDR und in der BRD geführten Gesprächen mit Führungskräften des »Neuen Forums«,1 der »SDP«,2 des »Demokratischen Aufbruchs«3 und anderer Bewegungen ihre Absicht, die »politische Opposition« in der DDR aktiv unterstützen zu wollen.
Dazu liegen dem Amt für Nationale Sicherheit4 folgende streng interne Hinweise vor:
Bundeskanzler Kohl5 ist gewillt, Gespräche mit Vertretern der »DDR-Opposition« kontinuierlich u. a. mit dem Ziel fortzuführen, diese zu einem noch aktiveren und politisch fordernden Handeln gegenüber der Regierung der DDR zu beeinflussen und sie dabei konzeptionell zu unterstützen. Seiner Auffassung nach könne die Opposition nur dann den ihr zustehenden Platz einnehmen, wenn sie Vertrauen im In- und Ausland erwirkt. Dazu müsse sie vor allem ein klares, eindeutiges Wirtschaftsprogramm vorweisen. Kohl gab zu erkennen, dass die »DDR-Opposition« in ihrem »Wahlkampf« auf die Unterstützung der jetzigen Bundesregierung rechnen könne.
Er bestärkte die Gesprächspartner aus der DDR in ihrer Absicht, sich bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit politischen Forderungen an den Vorsitzenden des Ministerrates der DDR zu wenden, beispielsweise mit der Forderung nach Zugang zu den DDR-Massenmedien. Außerdem empfahl er eine Beteiligung der »Opposition« an der Kontrolle der Verwendung von finanziellen Mitteln der BRD durch die Regierung der DDR.
Im Sinne der Orientierungen von Kohl agierte Minister Seiters6 und wertete mit Kräften der »DDR-Opposition« sein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Staatsrates der DDR, Genossen Krenz,7 und dem Vorsitzenden des Ministerrates der DDR, Genossen Modrow,8 aus. In diesem Zusammenhang sprach er von einem »Zeichensetzen«, indem bereits jetzt Gespräche mit allen Parteien geführt werden, von denen zu erwarten ist, dass sie künftig in der Volkskammer vertreten sind.
Seiters forderte die »Opposition in der DDR dazu auf, alles darauf auszurichten, dass künftig in der Volkskammer nur noch Parteien als Mandatsträger wirken können«.
Der Vorsitzende der SPD in der BRD, Vogel,9 wies in Gesprächen darauf hin, dass die DDR für Hilfsangebote der BRD sogenannte Rahmenbedingungen schaffen müsse. Dazu gehörten die Durchführung freier Wahlen in absehbarer Zeit und die Einrichtung eines Devisenfonds. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Wischnewski10 würde gegenwärtig an der Entwicklung eines Hilfsprogrammes zur finanziellen und materiellen Unterstützung der »DDR-Opposition« arbeiten. Der vorgesehene Umfang eines entsprechenden Fonds solle ca. fünf Millionen Mark betragen und insbesondere Verwendung finden für die Beschaffung hochleistungsfähiger Technik der Bürokommunikation sowie für den Kauf von Kraftfahrzeugen. Als Empfänger seien alle oppositionellen Bewegungen in der DDR vorgesehen, wobei finanzielle Transaktionen unter Umgehung von Konten durch direkte Übergabe von Geldern bzw. Mitteln erfolgen sollen.
Die Präsidentin des Bundestages der BRD, Süssmuth,11 hat bei Gesprächen mit Vertretern vorgenannter Bewegungen in der DDR zielgerichtet die Ministerin für innerdeutsche Beziehungen, Wilms,12 einbezogen, um damit gegenüber der Bundesregierung zu demonstrieren, dass diese von Anfang an in die Kontakte zur »DDR-Opposition« einbezogen werden müsse.
In diesem Zusammenhang wurde bekannt, dass das Ministerium für innerdeutsche Beziehungen der »Otto-Benecke-Stiftung« (Leiter: Wolfang Beitz13) Mittel übergeben wolle, um damit der Unterstützung der »DDR-Opposition« dienende Forschungs- und Ausbildungsvorhaben zu finanzieren. Vorliegenden internen Hinweisen zufolge will sich Beitz am 21./22. Dezember 1989 mit Vertretern der »DDR-Opposition« in der BRD treffen, um darüber zu beraten. Auf diese Weise wolle die Regierung der BRD ihre direkte Unterstützung für die »DDR-Opposition« verschleiern.
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