Verbreitung von Flugblättern durch US-Bürger, Berlin
7. August 1989
Information Nr. 378/89 über das Verbreiten von Hetzblättern durch einen in den USA lebenden BRD-Bürger in der Hauptstadt der DDR, Berlin
[Faksimile vom Flugblatt, Bl. 5]
[Faksimile vom Flugblatt, Bl. 6]
Durch Bevölkerungshinweis wurde bekannt, dass am 4. und 5. August 1989 in den Stadtbezirken Berlin-Mitte, Berlin-Prenzlauer Berg und Berlin-Friedrichshain die Verbreitung von Hetzblättern durch Einwurf in Hausbriefkästen erfolgte.
Im Ergebnis eingeleiteter Maßnahmen wurden bisher ca. 600 Exemplare aufgefunden und sichergestellt.
Bei den Hetzblättern (Original als Anlage beigefügt) handelt es sich um beiderseitig bedruckte Zettel (A4), in denen eine angebliche »Freie Partei der Republik« u. a. zu einer »Riesendemonstration« am »Freitag, den 1. September und Samstag, den 2. September verbunden mit einem totalen Generalstreik ab 1. September bis zum Rücktritt der Regierung« aufruft.
Im Ergebnis eingeleiteter Fahndungsmaßnahmen aufgrund vorliegender Personenbeschreibung wurde am 5. August 1989, 12.10 Uhr, in Berlin-Friedrichshain der BRD-Bürger [Name, Vorname] (59), geb. am [Tag, Monat] 1929 in Dresden, Beruf: Kaufmann, tätig als Hypothekenmakler, wohnhaft: [Straße, Nr.], Laguna Niguel, California, USA, geschieden, durch einen Angehörigen der Deutschen Volkspolizei einer Personenkontrolle unterzogen und festgenommen, da er in einer Collegemappe 139 der genannten Hetzblätter bei sich führte. Er ist geständig, die Hetzblätter verbreitet zu haben.
Die bisher geführten Untersuchungen ergaben:
[Name] verließ 1948 nach dem Erwerb des Abiturs seine Heimatstadt Dresden, hielt sich zunächst in Westberlin auf und begab sich 1949 in die BRD. 1951 siedelte er nach Kanada über und lebt seit 1955 als BRD-Bürger in den USA.
Seinen Aussagen zufolge unterhielt er seit seinem Weggang keinerlei Verbindungen in die DDR. Dennoch fühlte er sich angeblich mit seinem Geburtsland verbunden und gelangte aufgrund seiner antikommunistischen Einstellung zu dem Entschluss, Handlungen zur Beseitigung der von ihm als »Tyrannei« bezeichneten sozialistischen Verhältnisse in der DDR sowie zur Wiedervereinigung Deutschlands zu begehen. Unmittelbarer Anlass hierfür waren nach seinen Darlegungen die konterrevolutionären Ereignisse im Mai/Juni 1989 in Peking.1
In Verwirklichung seines Vorhabens entwarf [Name] einen Text, in dem die Beseitigung der sozialistischen Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR und die Wiedervereinigung Deutschlands mittels Generalstreik sowie Demonstrationen ab 1. September gefordert wurden. Er unterzeichnete diesen Text mit seinen Initialien »[…]« sowie dem Zusatz »ein freier Mensch«. [Name] ließ sich davon bei einer Firma in Los Angeles etwa 10 000 der genannten Hetzblätter herstellen, verpackte diese in zehn Pappkartons – mittels verschiedenartigem Geschenkpapier und Schleifenband getarnt, da ihm die Strafbarkeit seines Vorhabens bewusst war.
Am 2. August 1989 reiste er per Flugzeug von den USA über Frankfurt/M. nach Westberlin, wobei er die genannten Pakete als Luftfracht mitführte. Nachdem er sich ein Hotelzimmer genommen und einen Leihwagen gemietet hatte, reiste er mit dem Pkw, in dessen Kofferraum er die Pakete verstaute, am 4. August 1989, gegen 12.30 Uhr, über die Grenzübergangsstelle Heinrich-Heine-Straße in die Hauptstadt der DDR ein und mietete sich für zwei Tage ein Zimmer im Hotel »Metropol«.
Unmittelbar danach begann er zu Fuß in der Umgebung des »Friedrichstadtpalastes« sowie der Spandauer Straße in Berlin-Mitte mit der Verbreitung der Hetzblätter durch Einwurf in Hausbriefkästen, was er am Vormittag des 5. August 1989 unter Benutzung des Pkw in verschiedenen Straßen der Stadtbezirke Berlin-Mitte, Berlin-Prenzlauer Berg und Berlin-Friedrichshain fortsetzte, wobei in der Straße der Pariser Kommune seine Festnahme erfolgte.
Im Kofferraum des Pkw wurden neun Pakete mit Hetzblättern und im Ergebnis der Durchsuchung seines Hotelzimmers 49 Exemplare sichergestellt.
Als Ziel seiner Handlung, über die er seinen Aussagen zufolge niemand informiert haben will, gab [Name] an, er habe die DDR-Bevölkerung zum »Nachdenken« anregen und zu Handlungen gegen die staatliche und öffentliche Ordnung inspirieren wollen.
Angeblich beabsichtigte er nicht, bis zum 1. September 1989 in der DDR zu verbleiben. Er hätte lediglich erwogen, vor seiner ungefähr am 10. August 1989 geplanten Rückreise in die USA noch für einige Tage in seine Geburtsstadt Dresden zu fahren.
Gegen den Täter wurde ein Ermittlungsverfahren mit Haft gemäß § 220 StGB (Öffentliche Herabwürdigung) eingeleitet. Der genannte Pkw wurde in Verwahrung genommen.
Hinweise auf eventuelle Mittäter/Hintermänner des [Name] konnten bisher nicht erarbeitet werden.
Die erforderlichen Maßnahmen zur Suche/Sicherstellung weiterer Hetzblätter werden fortgeführt.
Die Untersuchungen werden fortgesetzt.
Anlage zur Information Nr. 378/89
[Flugblätter (Original)]