Veröffentlichung eines Buches »Der vormundschaftliche Staat«
27. März 1989
Information Nr. 149/89 über erste Überprüfungsergebnisse im Zusammenhang mit der geplanten Veröffentlichung eines gegen die DDR gerichteten Buches in der BRD von dem DDR-Bürger Henrich
Laut Meldung der Westberliner Zeitung »Der Tagesspiegel« vom 24. März 19891 soll Anfang April 1989 im Rowohlt-Verlag/Hamburg (BRD) ein Buch mit dem Titel »Der vormundschaftliche Staat – vom Versagen des real existierenden Sozialismus«2 erscheinen. Dieses Buch enthalte massive Angriffe gegen die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR. Als Verfasser wurde der DDR-Bürger Henrich, Rolf-Rüdiger,3 wohnhaft in Eisenhüttenstadt, Bezirk Frankfurt/O., genannt.
Das BRD-Nachrichtenmagazin »Der Spiegel« veröffentlichte in seiner jüngsten Ausgabe (Nr. 13/1989) Auszüge aus diesem Buch.4 Die bisherigen Untersuchungen zur Person des Henrich ergaben: Der Genannte ist 45 Jahre alt. Im Jahre 1959 übersiedelte er mit seiner Mutter von der BRD in die DDR. Nach Ablegen des Abiturs studierte er an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Jura.
Nach erfolgter Ausbildung als Diplom-Jurist nahm er eine Tätigkeit als Rechtsanwalt in Eisenhüttenstadt, Bezirk Frankfurt/O., auf und wurde Mitglied des Kollegiums der Rechtsanwälte im Bezirk Frankfurt/O. Er wird in seinem Beruf als außerordentlich befähigt eingeschätzt und wurde deshalb im Jahre 1985 mit der Wahrnehmung von Aufträgen ausländischer diplomatischer Vertretungen in der DDR befugt.
Henrich ist Mitglied der SED und war bis 1986 Sekretär der SED-Grundorganisation des Kollegiums der Rechtsanwälte in Frankfurt/O. Seine Ehefrau ist ebenfalls als Rechtsanwältin im Bezirk Frankfurt/O. tätig. Er befasst sich seit geraumer Zeit mit philosophischen und religiösen Themen und diesbezüglicher Literatur und sucht in diesem Zusammenhang gezielt Kontaktpartner. Auf Einladung des hinlänglich bekannten Pfarrers Tschiche,5 Samswegen, Bezirk Magdeburg, nahm Henrich an dem sogenannten Sommerseminar des regionalen »Arbeitskreises Solidarische Kirche« (AKSK)6 in Samswegen (25.–30. Juli 1988) teil. (Die Mitglieder des »AKSK« vertreten politisch negative bis feindliche Auffassungen und tolerieren bzw. unterstützen das Wirksamwerden von Kräften des politischen Untergrundes.) Auf diesem Seminar hielt Henrich einen Vortrag zum Thema »Herrschaftsstrukturen«. Intern äußerte er in der Folgezeit die Absicht, zu dieser Thematik ein Buchmanuskript zu verfassen.
Streng internen Hinweisen zufolge unterhält Henrich lose Kontakte zu einigen Organisatoren politischer Untergrundtätigkeit in der Hauptstadt der DDR, darunter zu Bärbel Bohley,7 Werner Fischer8 und Gerd Poppe.9
Im internen Kreis vertritt Henrich eine die sozialistische Staats- und Gesellschaftsordnung in der DDR ablehnende Haltung. [Passage mit schutzwürdigen Interessen nicht wiedergegeben]
Nach weiteren streng internen Hinweisen traf sich Henrich am 23. März 1989 in der Hauptstadt der DDR mit dem in der DDR akkreditierten ZDF-Korrespondenten Schmitz.10 Während des Treffens wurden Filmaufnahmen gefertigt (konkrete Angaben zum Inhalt des Treffens liegen noch nicht vor).
Die Maßnahmen zur weiteren Aufklärung der Person des Henrich, insbesondere seiner Kontakte und Verbindungen in das nichtsozialistische Ausland sowie zu den Ursachen, Hintergründen und möglichen Auftraggebern des von ihm verfassten Buches werden zielstrebig fortgesetzt.
Die Information ist wegen Quellengefährdung nur zur persönlichen Kenntnisnahme bestimmt.