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Zuführung eines südvietnamesischen Bürgers

12. Januar 1971
Information Nr. 33/71 über die Zuführung eines südvietnamesischen Staatsbürgers

Am 6.1.1971 ersuchte der 2. Sekretär der Botschaft der DRV in der DDR, Ha Thang,1 beim OdH des VPKA Dresden um Amtshilfe zur Fahndung nach dem Bürger der Republik [Name 1, Vorname], geboren am [Tag, Monat] 1939 in Biên Hòa2 bei Saigon3 in Südvietnam,4 Beruf: Diplomingenieur, zuletzt: Ingenieurpraktikant an der Technischen Universität Dresden, Fachrichtung Bauwesen, wohnhaft 801 Dresden, Leningrader Straße 29,5 Internat, Zimmer 1, Aufenthaltserlaubnis der DDR Nr. [Nr.].

Er begründete sein Ersuchen damit, dass der [Name 1] nach Abschluss seines Ingenieurpraktikums an der Technischen Universität Dresden am 31.12.1970 in die DRV6 zurückkehren sollte, sich jedoch dieser Verpflichtung entzogen hätte und beabsichtigen würde, in das kapitalistische Ausland zu flüchten.

Die gemeinsam mit der VP durchgeführten Fahndungsmaßnahmen des MfS führten zur Ermittlung des Aufenthaltes des [Name 1, Vorname] in Leipzig und zu seiner Zuführung. In seiner Befragung wurde Folgendes festgestellt:

[Name 1, Vorname] stammt aus kleinbürgerlichen Verhältnissen aus Saigon. Seine Eltern kamen durch die Kriegsereignisse ums Leben. Nach Erwerb der Hochschulreife studierte er von 1960 bis 1965 an der Technischen Universität in Saigon – Fachrichtung Bauwesen. Da er als Diplomingenieur keine Arbeitsstelle erhalten hätte, führte er Hilfsarbeiten aus und bekam über einen Arbeitskollegen Kontakt zur FNL,7 in deren Auftrag er in einem befreiten Gebiet südlich Saigons Erdarbeiten durchführte. Im Sommer 1966 bot ihm der Kommandeur der dortigen FNL-Einheit ein Ingenieurpraktikum im Ausland an. Der Bedingung, dies nur in der DDR oder Sowjetunion zu absolvieren, stimmte er zu. Er wurde nach der DRV ausgeflogen, wo er sich etwa drei Monate lang aufhielt.

Im Oktober 1966 kam [Name 1] in die DDR und erlernte etwa zehn Monate am Herder-Institut8 in Leipzig die deutsche Sprache. Anschließend nahm er an der Technischen Universität Dresden, Fachrichtung Bauwesen, das Ingenieurpraktikum auf, das planmäßig am 31.12.1970 enden sollte.

Im Herbst 1970 fasste [Name 1] den Entschluss, nach Abschluss des Praktikums nicht nach Vietnam zurückzukehren. Seinen Angaben zufolge will er nicht nach Südvietnam zurück, da dort aufgrund der USA-Aggression nicht die Möglichkeit besteht, seinen Beruf ausschließlich zu friedlichen Zwecken auszuüben.

Eine Rückkehr in die DRV lehnt er mit der Begründung ab, dass die Regierung der DRV eine maoistisch beeinflusste Politik betreiben würde.

Diese politischen Auffassungen des [Name 1] führten dazu, dass er Ende Dezember 1970 ein Schreiben an das MdI der DDR richtete, in dem er unter Angabe der genannten Gründe um weiteren Aufenthalt in der DDR bat. Dieses Schreiben übergab er zur Übersetzung ins Deutsche und zur Weiterleitung an das MdI der DDR dem gleichfalls in Dresden wohnhaften vietnamesischen Studenten [Vorname Name 2]. Die Überprüfung dieser Aussage des [Name 1] konnte nicht durchgeführt werden, da sich der [Vorname Name 2] seit dem 7.1.1971 zu einer Aussprache in der DRV-Botschaft in Berlin befindet. Nachdem ihm am 1.1.1971 durch einen Vertreter der vietnamesischen Landsmannschaft in Dresden mitgeteilt worden war, dass er bis zum 8.1.1971 seine Rückkehr nach Vietnam vorbereiten soll, hat sich [Name 1] ab 5.1.1971 vor seinen Landsleuten verborgen.

In den bisherigen Befragungen konnten keinerlei Hinweise auf eine eventuelle Fluchtabsicht in kapitalistische Staaten erarbeitet werden.

Es wird gebeten zu klären und zu entscheiden, welche staatsrechtliche Zuständigkeit der beiden vietnamesischen Vertretungen in der DDR gegeben ist.9 Sollte vom MfAA entschieden werden, den [Name 1] an eine der beiden vietnamesischen Vertretungen zu übergeben, wird es für zweckmäßig erachtet, wenn die zuständige Vertretung offiziell ein Ersuchen um Auslieferung an das MfAA richten würde. In diesem Fall wäre vom MfAA eine schnelle Entscheidung notwendig, unter welchen Bedingungen die eventuelle Übergabe des [Name 1] erfolgen soll. Meines Erachtens sollte die eventuelleÜbergabe durch die VP in Anwesenheit eines Vertreters des MfAA geschehen.

  1. Zum nächsten Dokument Verkehrsunfälle von Angehörigen der sowjetischen Armee

    14. Januar 1971
    Information Nr. 32/71 über Verkehrsunfälle auf dem Gebiet der DDR, an denen Kraftfahrzeuge sowie Personen aus der Sowjetunion – vorwiegend Angehörige der Sowjetarmee – beteiligt waren

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    11. Januar 1971
    Information Nr. 34/71 über rowdyhaftes Verhalten von NVA-Angehörigen